Witte-Verlag Ludwig Rudolph

Emma & Ludwig Rduolph vor dem Witte-Verlag 1980

Am 15. November 1927 gründete Ludwig Rudolph (1893-1982) den Witte-Verlag, Hamburg, welchen er mit Unterstützung des Begründers der Hamburger Schule Astrologie Alfred Witte und in Zusammenarbeit mit Emma Rudolph (1897-1987) mühevoll aufbaute. (Bild rechts: Emma und Ludwig Rudolph vor dem Verlag im April 1980).

Der Grundstein für die Verlagstätigkeit wurde bereits im Jahre 1926 mit dem »Verlag Ludwig Rudolph« gelegt. Im Zuge des 5. Astrologen Kongresses in Hamburg, bat Witte Rudolph den Vertrieb seiner Arbeitsgeräte (Gradscheibe, Nomogramm, Deklinations- und Unterschiedstafeln) zu übernehmen. Ludwig Rudolph hatte zu jener Zeit im Verlag Paul Krösing ein neues Arbeitsgerät mit einem Leitfaden herausgegeben, welches er der Öffentlichkeit als "Linear- oder Streifenhoroskop" vorstellte. 

Namensgebung vor 1927: Verlag Ludwig Rudolph

Der »Verlag Ludwig Rudolph« übernahm den Vertrieb von Wittes und Rudolphs Arbeitsgeräten. Ferner wurde für den Herbst 1926 eine "Zweimonatszeitschrift für angewandte Astrologie nach System Witte" sowie "Lehrbriefe der Hamburger Astrologenschule" angekündigt, die von Witte, Sieggrün und Rudolph – dem Vorstand des Astrologenvereins – vorbereitet wurden.

Ein Vortrag von Friedrich Sieggrün, wo er seine eigenen neuen hypothetischen Planeten vorstellte, führte zu einem Eklat im Verein. Der anschließende Mitgliederbeschluss vom 17. Oktober 1927 besagte sinngemäß, dass die Vervollständigung des Systems in Sinne Alfred Wittes Vorrang vor Sieggrüns neuen Innovationen haben soll.  Kapp einen Monat später stellte Ludwig Rudolph den Namen »Witte« seinem Verlag voran, um zu verdeutlichen, dass im »Witte Verlag Ludwig Rudolph« die Sichtweise Alfred Wittes authentisch vertreten wird.

Kurz nach der Gründung des Verlages zogen die Rudolphs mit den Kindern Udo und Heimtraut in den 4. Stock der Flotowstraße 37, Hamburg 22, wo der Verlag bis zur Ausbombung 1943 firmiert.

Namensgebung vor 1927: Verlag Ludwig Rudolph

1928
In der Flotowstraße begann die Vorbereitung des ersten Grundlagenwerkes des Verlages „Alfred Witte: Regelwerk für Planetenbilder - die Astrologie von Morgen“. Das Manuskript wurde im Sommer 1928 von Ludwig Rudolph abgeschlossen.

1929-1935
Die erste Hochphase des Witte-Verlags Ludwig Rudolph begann Anfang der 1930er Jahre. In dieser Zeit entstanden in Kooperation mit Alfred Witte entscheidende Publikationen und wichtige Arbeitsmittel, die die Hamburger Schule Astrologie -und auch andere Methoden- in den kommenden Jahrzehnten nachhaltig prägen sollten. In dieser Zeit verbreiteten sich die Publikationen des Verlages bereits ins Ausland, insbesondere in Länder mit deutschsprachigen Bevölkerungsanteil (Österreich, Ungarn, Tschechoslowakei, Litauen, Estland, Lettland, Schweiz, Luxemburg, Belgien, Elsass, Lothringen usw.). Ferner ergaben sich bereits erste Kontakte nach England und in die USA.

1936
Die Hochphase der 1930er Jahre wurde jählings unterbrochen, als am 2. Oktober 1936 die dritte Auflage des „Regelwerk für Planetenbilder“ vom Präsidenten der Reichsschrifttumskammer ohne nähere Begründung verboten wurde. Unangemeldet fuhr Ludwig Rudolph nach Berlin zur Kammer und bat um Klärung. Interessanterweise erhielt Ludwig Rudolph die Begründung erst nachdem der Sachbearbeiter das Buch erneut prüfte und Rudolph mit der fragwürdigen Begründung entließ, dass Sätze wie “verlorene Schlacht“ und “unfähiger Führer“ zum Verbot beigetragen haben.

1937-1940
Am 23. Januar 1937 kam das Unausweichliche und das Buch wurde von der Gestapo beschlagnahmt. Der Witte-Verlag und damit auch das System der Hamburger Schule waren ohne deren wichtigstes Grundlagenwerk in der Weiterentwicklung behindert. Erschwerend kam hinzu, dass Witte und seiner Methode der Ruf des Verbotenen anhaftete, und dies obwohl die Hamburger Schule Technik und andere Schriften des Verlages nicht verboten waren.

Ludwig Rudolph setzte daher seine ganze Kraft in die Rehabilitierung des Regelwerks, der Hamburger Methode und auch der Person Alfred Wittes. Die Genehmigung der Übersetzung in die Englische Sprache war von Ludwig Rudolph beantragt, ferner versuchte Rudolph 1938 das Regelwerk für den ausländischen Markt freizubekommen. Tatsächlich wurden 500 Regelwerke vom Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda am 9. März 1939 für das Ausland freigegeben (AZ. VIII 8270/7.1. 93-696 1/14). Als der Reichsminister jedoch hörte, dass die Bücher bereits vernichtet waren, zog er die Genehmigung wieder zurück (laut Staatspolizei). Trotz dieser Widerstände erschien 1939 die erste englische Übersetzung des Regelwerks in den USA. Im August 1939 musste das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda einräumen, dass die Gründe die zum Regelwerkverbot bei der Reichsschriftumskammer führten nicht festgestellt werden können.

Zur gleichen Zeit tat sich ein weiteres Problem auf. Ein ehem. Kooperationspartner des Witte-Verlages, der am dem Weiterverkauf des Regelwerks ursprünglich profitierte, nutzte die Lücke die durch das Regelwerk-Verbot entstanden war. Er übernahm Wittes Konzept der Planetenbilder, sowie die besondere Strukturierung des Regelwerkes in seine eigenen Publikationen. Er verzichtete allerdings auf Wittes Transneptuner, denn deren Deutungen führten angeblich zum Regelwerk-Verbot. Im Frühjahr 1939 begann daher eine rechtliche Auseinandersetzung, die auf unterschiedlichen Ebenen zwischen beiden Parteien geführt wurde und erst im Mai 1942 endete.

1941
Nach dem England Flug von Rudolph Heß 1941 wurde astrologische Literatur sowie die Beschäftigung mit der Astrologie vollkommen verboten. Ludwig Rudolph wurde im KZ Hamburg-Fuhlsbüttel (Kola-Fu) interniert, was ein besonders brutales Polizeigefängnis der Gestapo war. Alle Bücher, Schriften und Manuskripte des Verlages, der angeschlossenen Buchhandlung sowie persönliche Buchbestände, wurden beschlagnahmt und vernichtet. Dabei wurden wahllos Buchbestände und Akten eingezogen ohne den Inhalt näher zu prüfen. Ludwig Rudolph bezifferte den Schaden auf 50.000 RM (was heute eine Kaufkraft von bis zu 200.000 € wäre).

Ludwig Rudolph wurde am 28. Juni 1941 aus der Gestapohaft entlassen. Alfred Witte wurde nicht interniert, musste sich jedoch regelmäßig bei der Gestapo melden, die ihm deutlich zusetzte. Von der Gestapo mürbe gemacht und um die finanzielle Absicherung der Familie besorgt, entschied sich Alfred Witte am 4. August 1941 zum Freitod und rettete damit seinen Pensionsanspruch für seine Familie gegenüber dem Staat. Vermutlich befürchtete Witte, dass er aus dem Staatsdienst entlassen werden sollte.

1943
Es kam der Krieg nach Hamburg und die Ausbombung des Witte-Verlages 1943 vernichtete alles, was die Gestapo übersehen hatte. Nur wenige Dokumente und Bücher überdauerten die Zeiten in einem geheimen Erdloch unter dem Schrebergarten der Rudolphs. Aber man hatte Glück im Unglück und fand neue Räume am Rothenbaum in der Oberstraße 105, HH13, wo der Verlag bis 1969 beheimatet war, s.Bild rechts.

1945
Für die Deutschen kam 1945 der Neuanfang. Die Reichskulturkammergesetze wurden von den alliierten Zonenbefehlshabern aufgehoben. Damit wurde Ludwig Rudolphs Registrierung vom „Witte-Verlag Ludwig Rudolph“ (Nr. 18923) bei der Reichskulturkammer gegenstandslos. Doch nur für kurze Zeit. Am 16. August 1945 erhielt Ludwig Rudolph eine Urkunde der Militärregierung mit der Verlags-Registrierung unter der leicht geänderten Firmierung „Ludwig Rudolph (Witte-Verlag)“.

Der Wiederaufbau aus dem Nichts war eine schwierige und langwierige Aufgabe, die ohne Unterstützung vieler Freunde nicht möglich gewesen wäre. Mit dem Neubeginn schloss sich der Kreis. Wieder wurde das „Regelwerk für Planetenbilder“ zum Rückgrat des Witte-Verlages, dessen erweitere 4. Fassung im Dezember 1946 von Hermann Lefeldt abgeschlossen wurde.

Gleichfalls wurde damit eine 10-jährige Phase der Schmähung überwunden und Ludwig Rudolph konnte durch Wort, Tat und Schrift Alfred Wittes Leistungen ehren und gedenken.

Michael Feist
WITTE-VERLAG
HAMBURG, 2012