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Alfred Witte

Klick hier für eine Kurz-Zusammenfassung von Alfred Witte's Lebens- und Familiedaten

 

Geburt und Tod

Alfred Carl Christian Witte wurde am 2. März 1878 im Bezirk Hamburg-Eimsbüttel als einziger Sohn des Tischlers Peter Adolf Witte (*1846) geboren. Seine Mutter war Anna Metta Margaretha (*1853). Witte hatte zwei jüngere Schwestern, Ida (*1880) und Paula (*1886).

Nach Ludwig Rudolphs Angaben ist Wittes Geburtszeit 21:12 Uhr LMT, lt. Wittes persönlicher Aussage. Die Zeit weicht von der Geburtsurkunde ab, wo 22:00 LMT (nachmittags zehn Uhr) angegeben ist.

Alfred Witte wurde am 4. August 1941 um 9.45 Uhr in seiner Wohnung Tod aufgefunden. Todesursache war Suizid.

 

Ehefrau und Kinder

Am 4. Januar 1930 heiratete Witte die 14 Jahre jüngere Witwe Gertrud Jantzen, geborene Schlee (*10. Mai 1892). Gertrud brachte zwei Töchter mit in die Ehe, Anne Charlotte (*6. Mai 1919) und Marion (*4. Juli 1927).

Da die Ehe nach der Geburt der Kinder geschlossen wurde, stellt sich die Frage, ob es sich bei den Kindern um die leiblichen Töchter von Witte handelt. Insbesondere für die erstgeborene Anne-Charlotte liegen keine Hinweise vor. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Marion Wittes leibliche Tochter war, denn Marion trug den Beinamen "Schleewittchen", was mit Ausnahme eines Buchstabens "Schneewittchen" bedeutet. "Schlee-witt-chen" wurde aus den Geburtsnamen der Eltern "Schlee" und "Witte" zusammengesetzt. Alfred Witte war bekannt dafür, dass er mit solchen Wortspielen viel Spaß hatte.

Das Grab der Eheleute Witte, AB7-125/127, auf dem Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, wurde in den 1990-er Jahren nach dem Auslaufen der Nutzungsdauer entfernt, d.h. 25 Jahre nach dem Tod von Frau Gertrud Witte, die am 12.07.1965 verstarb.


Alfred Witte - Begründer der modernen Astrologie

(Hamburger Schule / Uranian Astrology)
von Ludwig Rudolph, überarbeitet und erweitert von Michael Feist [1]
Letzte Überarbeitung und Erweiterung Stand Oktober 2022

Wittes Bild und Signatur

Der Astrologe Alfred Carl Christian Witte [2] wurde am 2. März 1878 um 21:12 LMT (20:32 GMT) [31] im Stadtteil Hamburg-Eimsbüttel als einziger Sohn des Tischlers Peter Adolf Witte (1846) geboren.

Alfred Witte hatte zwei jüngere Schwestern, Ida (1880) und Paula (1886). Seine Mutter Anna Metta Margaretha (1853), genannt Metta, die Alfred charakterlich sehr nahe stand, war die Stütze der Familie. Sie zog die Kinder allein auf, da ihr Mann die Familie verließ. Ihr Sohn Alfred dankte es seiner Mutter, indem er ihr zeitlebens die finanziellen Sorgen abnahm. Mit ihrer Hilfe begann er unter schwierigen Umständen sein Studium und wurde zum Ernährer der Familie. Alfred Witte absolvierte das Technikum und begann eine Beamtenlaufbahn [3] beim Hamburger Vermessungsamt.

Alfred Witte war technisch außergewöhnlich begabt. Er war ein fleißiger, pflichtbewusster und loyaler Beamter des Hamburger Staates. Seine Persönlichkeit lässt sich beschreiben als ruhig, bescheiden, schlicht und einfach – begleitet von spontanen, oft spritzigen, drastischen Ideen.

Leider ist nicht genau bekannt, wie Alfred Witte zur Astrologie kam. In den Jahren 1909-1911 hielt Karl Brandler-Pracht in Hamburg astrologische Vorträge und Kurse ab. Soweit bekannt, nahm um 1911 auch Alfred Witte an diesen Einführungskursen teil. Als Vermessungsingenieur war Alfred Witte mit trigonometrischen Berechnungen sehr vertraut und machte sich schon damals eigene Gedanken über die in der konventionellen Astrologie üblichen Progressionen (Direktionen) und Häuser, sowie über die Bewegungszustände der Erde und Planeten – und ferner über die magnetischen, bzw. elektromagnetischen Felder. Wer sich mit Wittes Werk näher beschäftigt hat, wird Parallelen zu den Ansichten des Hamburger Astrologen Albert Kniepf finden.

Albert Kniepf (1853-1924) hatte in den 1890er Jahren die seriöse Astrologie in Deutschland wiederbelebt und setzte sich für die Modernisierung der Astrologie im Sinne einer modernen Wissenschaft ein. Alfred Witte und Albert Kniepf waren nicht nur miteinander bekannt, sondern lebten sogar in unmittelbarer Nähe [4] zueinander. Es kann daher mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Alfred Witte astrologisch von den Kenntnissen des 25 Jahre älteren Albert Kniepf profitiert hat.

1913 schrieb Witte in einer astrologischen Fachzeitschrift seine erste öffentliche Arbeit: "Betrachtungen über Farbe, Zahl und Ton" [5]. In diesem Werk entwickelte Alfred Witte eine Differenzierung von Farbe, Zahl und Ton rund um die Begriffe Involution (Zusammenwickeln) und Evolution (Auswickeln). Es geht um Leben, Bewegung, lose Materie (Feinstofflichkeit), um das (scheinbare) Nichts und das (greifbare) Etwas. So setzt er 1 als Materie, 0 als Nichts. Er schreibt Involution als numerischen Begriff 010 und Evolution 101.

Als Karl Brandler-Pracht bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 in einem Vortrag spekulierte, der Krieg werde etwa 4 Monate dauern, rief Alfred Witte Brandler-Pracht zu: "Sie meinen 4 Jahre?" [6]. In der Tat endete der Krieg erst vier Jahre später.

Witte wurde zum Militärdienst eingezogen und stellte Albert Kniepf seine umfangreichen astrologischen Studien für den Fall seines Todes [7] zur Verfügung. Der Erste Weltkrieg führte Alfred Witte als Artillerist nach Russland. Die Kriegsereignisse, die er gewissenhaft mit den Himmelskörpern und den Regeln der konventionellen mundanen Astrologie verglich, wirkten außerordentlich befruchtend auf die Entwicklung seiner astrologischen Erkenntnisse. Diese wurden zur Grundlage seiner revolutionären Umgestaltung der konventionellen astrologischen Technik in Bezug auf die Lehre der Aspekte und Häuser.

Nach seiner Rückkehr aus dem Militärdienst und nach dem sich Witte von einem dort erworbenen schweren Gelenkrheumatismus erholt hatte, begann für Alfred Witte eine fruchtbare Zeit astrologischer Arbeit.

Am 31. Juli 1919 hielt Alfred Witte seinen ersten öffentlichen Vortrag über das "Erdhoroskop"[8] im Kepler-Zirkel, der damals noch im Gemeindehaus in Hamburg-Sankt Georg tagte. [9]


Der Kepler-Zirkel [10] war eine Studiengruppe der traditionellen Astrologie nach der Lehre von Karl Brandler-Pracht, die am 14. März 1915 [11] von Friedrich Sieggrün gegründet wurde. Ludwig Rudolph, der als jüngster Student an der Gründung beteiligt war, übernahm das Amt des Schriftführers und wurde Sieggrüns rechte Hand.

Witte, der kein Mitglied des Kepler-Zirkels war, wurde von Friedrich Sieggrün zum ersten Mal zu einem Vortrag in die Gruppe eingeladen. Nach der Vorlesung traf Alfred Witte auch zum ersten Mal seinen späteren Mitarbeiter und Verleger Ludwig Rudolph. Es sollte noch einige Zeit dauern, bis die beiden zusammenarbeiteten, denn am nächsten Tag verließ Rudolph für einige Jahre Hamburg aus beruflichen Gründen.

In den Jahren 1919-1925 hielt Witte Vorträge und veröffentlichte eine Reihe von grundlegenden Abhandlungen [12] in den astrologischen Fachzeitschriften.

Der erste transneptunische Planet Cupido?Im Juli 1923 veröffentlichte Alfred Witte einen Artikel über die astrologische Berechnung seines ersten hypothetischen Planeten Cupido.[13] Er begann den Artikel mit einer ungewöhnlichen, aber zwingenden Hypothese, die sinngemäß lautet: Wenn der Astronom Urbain LeVerrier (†1877) in der Lage war, die Bahn des unbekannten Planeten Neptun auf der Grundlage von Bahnstörungen mathematisch zu berechnen, dann – wenn die astrologische Theorie richtig ist – sollten Astrologen in ähnlicher Weise in der Lage sein, die Position eines noch unbekannten Planeten in einem Horoskop astrologisch zu bestimmen.

Ausgangspunkt für Wittes Suche nach unbekannten Planeten war das Zeichen Krebs, denn LeVerrier hatte bei seiner Neptunberechnung dort einen weiteren noch unbekannten Planeten vermutet, den er "Pluto" nannte. Im selben Artikel deutete Alfred Witte die Existenz und die Eigenschaften von zwei weiteren transneptunischen Planeten an, die später als "Hades" und "Zeus" bekannt wurden.

Im Frühjahr 1924 veröffentlichte Alfred Witte seinen letzten Transneptuner "Kronos". In dieser Phase entwickelte sich ein engerer Kontakt zwischen Alfred Witte und Ludwig Rudolph, der nach Hamburg zurückkehrte. Während seiner Abwesenheit von Hamburg hielt Rudolph den Kontakt zu Friedrich Sieggrün aufrecht und war durch seine Besuche in Hamburg und die persönlichen Begegnungen auf Kongressen immer auf dem Laufenden. Rudolphs Rückkehr gab der Entwicklung der "Hamburger Schule" zusätzlichen Schwung. Um Wittes Ideen zu fördern, wurde der Kepler-Zirkel aufgelöst und stattdessen am 31. Oktober 1925 die Astrologenvereinigung "Hamburger Schule" gegründet. [14]

Teilnehmer des 5. Astrologen-Kongress 1926 auf dem Weg zu einer Hafenrundfahrt. Reihe oben: Witte erster von links; Sieggrün 3. und Rudolph 2. von rechtsNach der Gründung bat Alfred Witte Ludwig Rudolph, den Vertrieb der Gradscheiben zu übernehmen. Ein Grund war der bevorstehende 5. Astrologenkongress in Hamburg (1926), der von Sieggrün und Rudolph zu Ehren von Alfred Witte vorbereitet wurde.

Der Kongress sollte dem Fachpublikum die viel diskutierten Methoden Alfred Wittes näherbringen, doch ein Vortrag von Wilhelm Th. H. Wulff über Wittes transneptunische Planeten endete mit dem Vorwurf des Plagiats. Es gab Parallelen bei "Hades" zu Berechnungen von Dr. Theodor Grigull aus dem Jahr 1902, mit gleichem Namen, ähnlicher Umlaufzeit und Entfernung. Alfred Witte war über diese Ähnlichkeiten und über den Plagiatsvorwurf beunruhigt, bestand aber darauf, dass er seine Planeten selbst berechnet hatte. Es sei auch darauf hingewiesen, dass Alfred Witte der allererste war, der Ephemeriden von transneptunischen Planeten veröffentlichte, und nicht nur die astronomischen Eigenschaften.

Schon vorher hatten Alfred Wittes Artikel Kritik hervorgerufen, die sogar auf dem 2. Astrologenkongress in Leipzig (1923) offen diskutiert wurde. Das eigentliche Problem war, dass seine Arbeiten von den Lesern nicht ausreichend aufgearbeitet wurden. Witte setzte Grundkenntnisse in Astrologie und Astronomie voraus, die nicht immer gegeben waren. Seine Artikel waren daher für Außenstehende schwer zu verstehen. Zudem waren seine Techniken und Arbeitsmittel neu, d.h. es war kaum möglich, Wittes Ausführungen zu folgen, ohne sie mit einer drehbaren 360°-Scheibe nachzuarbeiten.

Da auch die Astrologen ihre Gewohnheiten nicht ohne weiteres änderten, war es nicht verwunderlich, dass das notwendige Verständnis für seine Arbeit fehlte. Albert Kniepf und einige andere bekannte Astrologen lehnten Wittes Entwicklungen größtenteils ab. Andererseits ließen sich andere Astrologen von Wittes Vorträgen im Kepler-Zirkel inspirieren. So nahm der in Deutschland bekannte Astrologe und astrologische Verleger A. Frank Glahn, ein Besucher des Kepler-Kreises, Halbsummen, Antiszien und den Sonnenbogen in sein Lehrbuch (1924) auf. Dennoch lehnte auch Glahn Wittes Methode ab, insbesondere wegen der in Alfred Wittes Theorie stark betonten sensitiven Punkte und der von Alfred Witte berechneten transneptunischen Planeten Cupido, Hades, Zeus und Kronos.

Wilh. Th. H. Wulff [15] und Wilhelm Hartmann [16] , die damals zu Wittes engeren Bekannten zählten und sich für seine Erkenntnisse einsetzten, lehnten Alfred Wittes Arbeit schließlich ab.

Sowohl Wittes Artikel als auch Friedrich Sieggrüns Bemühungen als Wittes Sprecher auf den Astrologenkongressen wirbelten viel Staub und Widerstand unter den prominenten Astrologen auf. Friedrich Sieggrün provozierte auf dem zweiten Astrologenkongress in Leipzig (1923) mit folgendem Satz die Zuhörer: "Wir müssen uns alle wieder auf die Hosen setzen und von vorne anfangen zu studieren". Dieser Satz wurde als Verhöhnung des Wissens und Könnens der zeitgenössischen und historischen Astrologen aufgefasst. Sieggrün wollte darauf hinweisen, dass Alfred Witte etwas zu bieten hat, was bisher nicht bekannt war oder berücksichtigt wurde. Etwas, mit dem sich das Horoskop in seinen unbekannten Tiefen erst richtig erschließen lässt. Etwas, das es wert ist, beachtet zu werden.

Über Alfred Witte und seine Innovationen wurde viel geredet, aber es gab keine ernsthafte Auseinandersetzung mit seinen Erkenntnissen und Vorschlägen. Das ist eigentlich unverständlich, denn schließlich sollte jeder seriös Astrologie forschende bestrebt sein, das eigene Wissen zu erweitern.

Sicherlich war der Einwand, Alfred Wittes Vortragsweise sei schwierig und schwer verständlich, nicht unberechtigt. Aber die Entwicklung hat gezeigt, dass dieser Einwand meist auf die leichte Schulter genommen wurde, denn jede Entwicklung ist in ihren Anfängen schwierig, sowohl für den Lehrenden als auch für den Lernenden. Alfred Witte hatte damit gerechnet, dass jeder andere Astrologe die von ihm aufgeworfenen Grundfragen ebenso unvoreingenommen und gewissenhaft prüfen würde, wie er sie entwickelt hatte. Wo dies geschah, war er sich sicher, dass sich der Erfolg einstellen würde.

Nach dem Astrologenkongress 1926 diktierte Alfred Witte in der Astrologenvereinigung "Hamburger Schule" die Deutungen der Planetenbilder seinen Schülern, die sie aufschreiben und überprüfen sollten. Die Sammlung ging lamsam voran. Nach rund einem Jahr waren erst die Hälfte der möglichen Plantetenbilder gesammelt worden. Da dies viel wertvolle Zeit während der eigentlichen Vorträge kostete, schlug Ludwig Rudolph Alfred Witte vor, seine Erkenntnisse zusammenzustellen und in einem Buch zu veröffentlichen. Alfred Witte beauftragte Ludwig Rudolph, diese Arbeit zu übernehmen. Ludwig Rudolph gründete 1927 einen Verlag [17] und erfüllte die Aufgabe im Sommer 1928. Im Jahr 1929 kam das Buch unter dem Titel "Regelwerk für Planetenbilder –Die Astrologie von morgen" auf den Markt. Das Buch wurde schnell ein Erfolg.

In dieser Zeit tat sich auch viel in Wittes familiärem Umfeld. Am 4. Januar 1930 heiratete Witte die 14 Jahre jüngere Witwe Gertrud Jantzen, geborene Schlee. Gertrud brachte zwei Töchter mit in die Ehe, Anne Charlotte (1919) und Marion (1927) [18], liebevoll "Antje" und "Pütte" genannt. In diese Zeit fällt auch der Tod seiner Mutter Metta (†1933). Sie hinterließ ihm den Sinn für die geheimnisvollen Welten, und er schenkte ihr einen sorglosen Lebensabend in der treuen Obhut eines dankbaren Sohnes. Er lebte bei seiner Mutter, auch als er bereits verheiratet war. Er hielt seine Heirat vor seinen Freunden und seiner Mutter geheim, nur damit seine Mutter ohne die Sorge, einsam zu sein, ihren Lebensabend beschließen konnte. Erst auf ihrem Sterbebett vertraute er ihr sein Geheimnis an. Seine Mutter hatte die Gabe der Besprechung und half vielen Menschen, wo die ärztliche Kunst nicht ausreichte. Auch hier hat Alfred Witte seine Mutter in vielerlei Hinsicht geerbt. So hatte er zum Beispiel einen Tee zur Blutauffrischung zusammengestellt, der vielen als "Witte-Tee" bekannt war.

Mit der Gründung der Astrologenvereinigung "Hamburger Schule" beendete Alfred Witte seine Artikelserie 1925 und konzentrierte sich auf öffentliche Vorträge und Schulungen. Publikationen zu seiner Methode, wurden stattdessen von seinen Anhängern durchgeführt. So schrieben Wilhelm Beckmann [19] , Ludwig Rudolph und andere ab den frühen 1930er Jahren in den von Reinhold Ebertin herausgegebenen Zeitschriften [20] . Obwohl in der Leserschaft Stimmen laut wurden, die sich darüber beschwerten, dass in der Zeitschrift zu viel über die Hamburger Schule geschrieben wurde, bewiesen schließlich die Teilnehmer an einer von Ebertin gestellten Reihe von Arbeitsaufgaben, die jeder nach der von ihm vertretenen Theorie lösen konnte, dass der größte Prozentsatz der besten Lösungen von Schülern der Hamburger Schule gelöst wurde.

Nach der Veröffentlichung des Regelwerks intensivierte sich die Zusammenarbeit zwischen Alfred Witte und Ludwig Rudolph. Die Herstellung und erste astrologische Anwendung der 90°- und 45°-Scheiben [21] durch Ludwig Rudolph im Frühjahr 1931, geht auf ein Treffen zwischen Witte und Rudolph zurück.

Die Entwicklung des Regelwerks und der Hamburger Methode ging rasant voran. Das Regelwerk erschien 1932 in erweiterter zweiter Auflage, mit neuem Logo des "Witte-Verlag Ludwig Rudolph". Es folgte kaum später das erste Lehrbuch [22] der Hamburger Schule "Leitfaden der Astrologie - System Hamburger Schule" von Ludwig Rudolph im Jahr 1933, unterstützt von Witte. Regelwerk und Leitfaden trugen wesentlich zur Vertiefung und Verbreitung der Lehren Alfred Wittes bis nach Nordamerika bei.

Im Oktober 1933 reisten Alfred Witte und Ludwig Rudolph nach Düsseldorf, wo sie ein Diplom der Astrologischen Zentralstelle [23] erhielten.

Wittes berühmtes FotoEs ging rasant weiter, bis es zur Unterbrechung kam. Die 3. Auflage des Regelwerks wurde bereits 1935 veröffentlicht und zeigt erstmals das heute berühmte Foto von Alfred Witte. Doch auch der Rückschlag kam schnell. Im Herbst 1936 wurde das Regelwerk durch den Präsidenten der Reichsschriftumskammer [24] ohne weitere Begründung verboten. Die Methode von Alfred Witte wurde zwar nicht verboten, aber das damit verbundene Stigma des Verbotenen machte eine weitere Verbreitung fast unmöglich – zumal das wichtigste Grundlagenwerk nun fehlte.

Zu der Kritik von Astrologen und Astronomen, mit der Alfred Witte in den Jahren zuvor konfrontiert worden war, kam nun die Härte der Staatsmacht hinzu, die die Fortsetzung seines Lebenswerkes endgültig gefährdete. Noch bitterer war die Tatsache, dass es für dieses Verbot keine wirkliche Begründung gab. Glaubt man der Aussage eines Sachbearbeiters der Reichsschriftumskammer, so könnten die Formulierungen "verlorene Schlacht" und "unfähiger Führer" zum Verbot beigetragen haben. In diesem Fall könnten auch die von Alfred Witte berechneten hypothetischen Transneptuner Kronos und Zeus der Grund für das Verbot gewesen sein. Eine Überarbeitung des Regelwerks wäre ein Ausweg gewesen, aber es wäre auch ein Verrat an der eigenen Sache gewesen, die Transneptuner oder die kritisierten Aussagen aus dem Buch zu streichen. Es begann ein zäher Kampf zwischen Ludwig Rudolph und den Behörden um die Freigabe des Buches.

War dies alles schon schwer zu ertragen, so kam der schwerste Schlag für Alfred Wittes Lebenswerk von "befreundeter" Seite. Reinhold Ebertin, der das Regelwerk in seiner Zeitschrift zum Verkauf anbot und vertrieb, übernahm die wesentlichen Begriffe von Wittes Methode sowie die 90°-Scheibe und veröffentlichte ein Buch, das dem Konzept des bis dahin einzigartigen Regelwerks ähnelte. Eine kleine Abweichung war, dass Ebertin Transneptuner und Häuser nicht berücksichtigte.

Da Ebertin direkt von Wittes Arbeit profitierte, wurde er später von Ludwig Rudolph als "Schüler von Alfred Witte" bezeichnet, wobei hier anzumerken ist, dass Ebertin nie ein persönlicher Schüler [25] von Witte war. Reinhold Ebertin hatte den Wert der von Alfred Witte entwickelten Methode erkannt, sie aufgesogen und Teile davon so umgestaltet, dass es keine Probleme mit den Behörden gab. Die Tatsache einer solchen Überarbeitung des Regelwerks ist an sich schon eine Anerkennung des herausragenden Wertes von Wittes astrologischem Werk. Dennoch hat Alfred Witte es nie verziehen, dass Ebertin das Regelwerk formal und inhaltlich umschrieb und 1938 als "Kombination der Gestirnseinflüsse" [26] veröffentlichte. Zudem kritisierte Ebertin Witte, während die Originalquelle, das von Witte initiierte Regelwerk, auf dem staatlichen Verbotsindex stand.

Zu diesem Zeitpunkt begann der Leidensweg von Alfred Witte jedoch erst. Der Ring um die Astrologie wurde immer enger gezogen. Der Höhepunkt sollte die abrupte Gestapo-Aktion am 9. Juni 1941 sein, als viele Astrologen verhaftet und die meisten ins Konzentrationslager gebracht wurden.

Wittes Verleger Ludwig Rudolph wurde verhaftet und interniert, aber Witte war von der ersten Welle von Übergriffen nicht betroffen. Dies sollte sich am 4. Juli 1941 ändern, als die Gestapo den Haushalt von Wittes Familie auf den Kopf stellte und Wittes Bibliothek mit etwa 2000 Büchern durchwühlte. In einem der drei Wohnräume warf die Gestapo 500 Bücher auf einen Haufen. Dann wurde der Raum versiegelt und Alfred Witte zum Verhör in den Arrest gebracht. Er kehrte am Abend zurück und erhielt die Auflage, Hamburg nicht zu verlassen. Er blieb unter Beobachtung der Gestapo und musste jeden Moment mit einer neuen Verhaftung rechnen. [27]

Alfred Witte blieb das Konzentrationslager erspart. Vermutlich, weil er beim Hamburger Staat angestellt war und zudem obligatorisches Parteimitglied war. Statt inhaftiert zu werden, musste sich Alfred Witte regelmäßig bei der Gestapo an der Stadthausbrücke melden, wo er durch üble Verhöre psychisch zermürbt wurde und ihm erneute Verhaftung angedroht wurde.

Am 4. August 1941 hatte Alfred Witte seinen Geist aufgegeben. Er öffnete das Siegel des Zimmers mit dem Bücherhaufen und wählte den Freitod durch Erhängen. Auf dem Tisch hinterließ er ein Schild mit seinen letzten Worten: "Ich gehe nur aus dem Leben, weil ich nicht ins Konzentrationslager will."  [28]

Der vorliegende Totenschein [29] datiert den Fund auf die Uhrzeit 9:45 Uhr (-2 = GMT). Dies war ein schwerer Schlag für Wittes junge Familie und auch für seine Anhänger der Hamburger Schule. Todesanzeige Wittes mit handschriftlicher Notiz von Rudolph

Es ist nicht erwiesen, dass die Interpretationen von Kronos und Zeus zum Verbot des Regelwerks beigetragen haben, da die Verbotsakte zu Wittes Lebzeiten in Berlin nicht auffindbar war. Der spätere Antrag Ludwig Rudolphs auf Entschädigung am 5. Juni 1939 blieb folgenlos. Für Ludwig Rudolph war es später eine gewisse "Ehre" Wittes, dass die Reichsschriftumskammer 1936 ausgerechnet Alfred Wittes Regeln zitierte, die letztlich den Zusammenbruch 1945 treffend vorweggenommen hatten.

Zufall oder nicht, Kronos und Zeus spielen noch eine weitere Rolle. Auf Alfred Wittes Grabstein ist die Formel Jupiter+Kronos-Zeus eingemeißelt. Eine versteckte Botschaft an Wittes Anhänger mit der Bedeutung:

Foto des oberen Teil des Grabsteins copyright (c) 1976 von Herrn Karsten F. Kröncke

"[Der] Meister der Schöpfung - Alfred Witte -
geboren am 2. März 1878 - gestorben am 4. August 1941". [30]

[1] Diese Zusammenstellung basiert ursprünglich auf Informationen von Ludwig Rudolph, die in den folgenden Quellen enthalten sind: DAV-Mitteilungen (7.9.1951), ASHS-Studienabend (22.9.1953), Hamburger Hefte 2/1963, S. 10, März 1963 und Hinweise in der Aufsatzsammlung "Der Mensch [...]", 1975. Dieser Text wurde anschließend mehrfach überarbeitet, erweitert und mit neuen, überprüfbaren Informationen ergänzt. Im Oktober 2022 Überarbeitung auf der Grundlage einer offiziellen Akte, die einen authentischen Bericht von Wittes Tochter Marion enthält. 

[2] Daten von Ludwig Rudolph nach der persönlichen Aussage von Alfred Witte. Laut Standesamt war die Geburtszeit 10 Uhr abends (22:00 LMT, also 21:40 GMT). Kopie der Geburtsurkunde Nr. 678 vom März 1878, liegt vor.

[3] Es lässt sich nicht verifizieren, aber Carl-Otto Fleischhauer (†2002), der Witte als 17-jähriger Praktikant (1940-41) im Amt kennenlernte, ging davon aus, dass Witte seine Tätigkeit 1905 für den Hamburger Staat aufnahm und spätestens 1910 in den Staatsdienst übernommen wurde. Fleischhauer in "Alfred Witte - Landmesser und Astrologe ...", S. 20, Michael Feist (Edition Astrologic), 2000, ISBN 3-00-012760-7

[4] Die Informationen basieren auf dem amtlichen Hamburger Adressbuch von 1914, recherchiert von M. Feist im Jahr 2018. Witte wohnte mit seiner Mutter in der "Claus Grothstraße 23". Diese Adresse wurde auch in der Akte der Gründung der "Hamburger Schule" als Wittes Adresse angegeben (1925). Kniepf wohnte in der Nähe in der "Bethesdastraße 14". Beide Straßen liegen in Hamburg-Borgfelde, mit einer Entfernung von nur 450 Meter Luftlinie."

[5] "Betrachtungen über Farbe, Zahl und Ton - Astrologische Studie", in "Astrologische Rundschau", 1913-14, IV. Jahrg. Heft 1, Seite 4.

[6] Berichtet von Herrn W. Fleck, einem persönlichen Freund von Witte.

[7] Nach Wilhelm Hartman in einer frühen Einführung in die astrologischen Methoden der Hamburger Schule, 1926, abgedruckt in einem Sammelband von Sporner "Witte: Der Mensch ...", S. 297, 1975, Witte-Verlag. Hamburg, ISBN 3-920807-11-1.

[8] Das "Erdhoroskop" ist auch als die Einstellung der Erdhäuser bekannt. Da dies damals eine sehr neue Sichtweise war, stellte Witte vermutlich seine Theorie des Erdmeridians (Krebs-Steinbock) und des Erdhorizonts (Widder-Waage) vor, mit Unterscheidung der nördlichen und südlichen Hemisphäre. Dies sind wichtige Grundlagen von Wittes Methode, die auch die Verwendung des Begriffs Erdachse im Horoskop erklären.

[9] Gemeindehaus Stiftstraße 15, 20099 Hamburg

[10] Der Kepler-Zirkel bestand 10 Jahre lang bis zu seiner Auflösung (14. März 1915 bis 31. Oktober 1925).

[11] In den "Hamburger Heften 177/2016", S. 5, wurde ein Karteneintrag aus Rudolphs Archiv als Beleg veröffentlicht, welcher das Datum der Gründung des Kepler-Zirkels zeigt.

[12] Neben dem ersten Aufsatz von 1913 sind 45 verschiedene Veröffentlichungen zwischen 1919 und 1925 in den Zeitschriften "Astrologische Rundschau" und "Astrologische Blätter" bekannt. Danach veröffentlichte Witte keine Artikel mehr, mit einer Ausnahme im Jahr 1929, als Rudolph seine und Wittes Vorträge, die sie an der "Hamburger Schule" gehalten hatten, in einem Bericht zusammenfasste.

[13] "Der erste transneptunische Planet Cupido?", Astrologische Blätter, Juli 1923, S. 49.

[14] Astrologenverein Hamburger Schule, gegründet von 21 Astrologen am 31. Oktober 1925, 9h45'51" p.m. MEZ (-1= GMT) auf 9°57'24" E und 53°33'04" N: [...] Die treibenden Kräfte, die auf die Gründung des Vereins drängten, sind: Alfred Witte, Friedrich Sieggrün, Ludwig Rudolph, Hans Feddern. [...]", Daten und Zitat aus dem Gründungsbericht, veröffentlicht im "Nachrichtenblatt" Band II, Nr. 9-10, S. 94-95, einer Beilage der Zeitschrift "Astrologische Rundschau", Band. XVII, Dez. 1925/26"

[15] Wilh. Th. H. Wulff ist auch in der englischsprachigen Welt durch sein Buch "Zodiac and Swastika" bekannt.

[16] Wilhelm Hartmann studierte Astrologie und Astronomie in Hamburg und wurde später Direktor der Nürnberger Sternwarte.

[17] Der Witte-Verlag wurde am 15. November 1927 von Ludwig Rudolph gegründet.

[18] Die Geburtsdaten finden sich im Wiedergutmachungsakte von 1958. Da die Ehe nachweislich im Januar 1930 geschlossen wurde, stellt sich die Frage, ob die Kinder die leiblichen Töchter von Witte sind. Insbesondere für die erstgeborene Tochter Anne-Charlotte (6. Mai 1919) liegen mir keine Hinweise vor, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Marion (4. Juli 1927) Wittes leibliche Tochter war. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus Folgendem: Nach den Akten gab Marion als zweiten Vornamen "Schleewittchen" an, was mit Ausnahme eines Buchstabens "Schneewittchen" bedeutet. Der zweite Vorname wurde aus den Geburtsnamen der Eltern Schlee und Witte zusammengesetzt. Alfred Witte hatte bekanntlich viel Spaß an solchen Wortspielen.

[19] Wilhelm Beckmann kaufte das Regelwerk 1929 und nahm sofort Kontakt zu Witte auf. Beckmann ist bekanntlich der einzige Schüler, der von Witte privaten Einzelunterricht erhielt. Die beiden wurden Freunde. Es heißt, dass beide gerne gemeinsam in einem Schrebergarten arbeiteten, wo Beckmann später eine Gradscheibe an sein Gartenhaus nagelte.

[20] "Neue Sternblätter" und später "Mensch im All"

[21] Ludwig Rudolph beschloss 1931, zuerst die 45°-Scheibe zu veröffentlichen. Reinhold Ebertin lobte Rudolphs Innovation in einem Artikel.

[22] "Leitfaden der Astrologie - System Hamburger Schule", Witte-Verlag Ludwig Rudolph, Hamburg 1933, 2012, 308 Seiten, ISBN: 978-3-920807-33-1

[23] Der Text auf dem Diplomausweis lautete: "Herr/Frau/Frl. [Name] ist auf Grund der nachgewiesenen Befähigung berechtigt, sich als wissenschaftlicher und praktischer Diplom-Astrologe der A.Z. zu bezeichnen."Bis 1935 erhielten rund 33 Astrologen ein Diplom: Neben A.Witte und L.Rudolph u.a.a: J.Benes, Brandler-Pracht, Freiher von Breidenbach, F.Brunhüber, A.F.Glahn, Freiher von Klöckler, W.Knappich, W.Koch, H.Korsch, K.Krafft, E.Kühr, J.Vehlow, Gräfin Wassilko-Serecki, O. Winkler, Wh.T.H. Wulff. " Ludwig Rudolph's Diplomausweis ist im Studienzentrum Hamburger Schule ausgestellt.

[24] In der Reichsschriftumskammer mussten sich Verlage und Autoren registrieren. Die Registrierung des Witte-Verlag Ludwig Rudolph ist im Studienzentrum Hamburger Schule ausgestellt.

[25] Ebertin gehörte nicht zu der Gruppe in Hamburg, denn er lebte in einer anderen Stadt.

[26] Ebertins erste Ausgabe von "Kombination der Gestirnseinflüsse" (12.50 RM) war eine Hektographie mit 85 Seiten, die teurer verkauft wurde als das reguläre gedruckte Regelwerk mit 420 Seiten (10 RM). Das Regelwerk war deutlich umfangreicher, weil es neben der Regeldeutungen, Häuserdeutungen, einen Suchindex, Einleitungen und Ephemeriden enthielt.

[27] Nach dem Bericht von Wittes Tochter Marion vom 29. März 1958.

[28] Nach dem Bericht von Wittes Tochter Marion vom 29. März 1958.

[29] Zitat aus dem Totenschein: "[...] Der Technische Oberinspektor Alfred Carl Christian Witte, evangelisch, wohnhaft in Hamburg Mühlendamm 16, wurde am 4. August 1941 um 9.45 Uhr in der vorgenannten Wohnung tot aufgefunden [...] Todesursache: Erhängen, Selbstmord." - Auf der von den Rudolph's aus der Zeitung entnommenen Todesanzeige war handschriftlich eine frühere Uhrzeit vermerkt. Die Gründe für diese Diskrepanz sind nicht bekannt. Es ist auch nicht bekannt, ob dieser andere Zeitpunkt das Ergebnis einer astrologischen Untersuchung war.

[30] Foto des Grabsteins copyright (c) 1976 von Herrn Karsten F. Kröncke, veröffentlicht in "Hamburger Hefte 1/2000", S.65. Der Grabstein wurde in den 1990er Jahren entfernt. "Meister in der Schöpfung" ist der einzige Eintrag unter Jupiter+Kronos-Zeus im Regelwerk, 3. Auflage 1935, S. 128.

[31] Nach Ludwig Rudolphs Angaben ist Wittes Geburtszeit 21:12 LMT, angegeben durch Wittes persönliche Aussage. Die Zeit weicht von der Geburtsurkunde ab, in der 22:00 LMT angegeben ist. Es ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Reichs-Gesetzblatt No 4, Personenstand, §22 Abs. 2, von 1875, nur "Ort, Tag und Stunde der Geburt" angegeben werden musste. Präzise wurde nicht erwähnt, wie genau die Angabe "Stunde" sein musste. Bessere Zeitangaben wurden oft auf Viertelstunden aufgerundet. Sehr selten waren die Aufzeichungen genauer. Vermutlich wurden die Regeln für die Aufzeichnung auf der unteren Ebene der zuständigen Behörden festgelegt. Noch im Gesetz von 1957 war die Minutenangabe in Westdeutschland nicht vorgeschrieben. Nach heutigem Personenstandsgesetz (PStG) §21, Abs. 2, ist zusätzlich auch die "Minute der Geburt" zu notieren.